[Buch] Anne Freytag - Den Mund voll ungesagter Dinge




 Titel: Den Mund voll ungesagter Dinge
 Reihe: -
 Autor: Anne Freytag
 Genre: Roman
 Verlag: Heyne fliegt
 Seitenzahl: 400 Seiten
 Preis: 14,99€







„Weißt du, wenn man eine Lüge oft genug wiederholt, glaubt man sie irgendwann.“

Wenn Sophie es sich aussuchen könnte, wäre ihr Leben simpel. Aber das ist es nicht. Und das war es auch nie. Das fängt damit an, dass ihre Mutter sie direkt nach der Geburt im Stich gelassen hat. Und endet damit, dass Sophies Vater plötzlich beschließt, mit seiner Tochter zu seiner Freundin nach München zu ziehen. Alle sind glücklich. Bis auf Sophie.
Was hat es bloß mit dieser verdammten Liebe auf sich? Sophie selbst war noch nie verliebt. Klar gab es Jungs, einsam ist sie trotzdem. Bis sie in der neuen Stadt auf Alex trifft. Das Nachbarsmädchen mit der kleinen Lücke zwischen den Zähnen, den grünen Augen und dem ansteckenden Lachen. Zum ersten Mal lässt sich Sophie voll und ganz auf einen anderen Menschen ein. Und plötzlich ist das Leben neu und aufregend. Bis ein Kuss alles verändert.


Schon in das erste Buch von Anne Freytag war ich verliebt und ich finde sie hat sich mit ihrem zweiten Roman noch übertroffen, auch wenn die Geschichte um Sophie ein vollkommen anderes Thema verfolgt und einen ganz anderen Ton hat, als es noch in „Mein bester letzter Sommer“ der Fall war. Die Protagonistin in diesem Roman hat keine tödliche Krankheit und es geht auch nicht um Tod, dennoch geht es irgendwie um Verlust und Trauer, aber auf eine andere Art und Weise.
Sophie ist ohne ihre Mutter aufgewachsen und auch, wenn es immer wieder thematisiert wird, dass sie sich ihre Mutter an ihrer Seite vorstellt, so ist sie doch zufrieden mit dem Leben, das sie bisher gelebt hat. Doch genau dieses Leben hat nun ein Ende. Ihr Vater verschleppt sie aus dem schönen Hamburg in den Süden Deutschlands. Sophie stört es dabei weniger, dass sie ihre Freunde zurücklassen muss, denn außer ihrem besten Freund, der in Paris lebt, hat Sophie wenige Menschen, die sie wirklich vermissen würde. Viel schlimmer ist dieses Gefühl, dass das Duo aus ihr und ihrem Vater plötzlich nicht mehr genug ist. Es wäre alles perfekt, wenn es sie nicht geben würde. Das redet sie sich zumindest ein, denn wieso sonst sollte ihr Vater plötzlich eine neue Frau brauchen und wieso sind alle total begeistert von den Veränderungen, nur Sophie eben nicht?
Die Autorin zeichnet die Gefühle der Protagonistin sehr real nach und auch, wenn man als Leser nicht schon in einer solchen Situation war, kann man sich sehr gut in Sophie hineinversetzen. Sie möchte nur allein sein und sich verkriechen, weshalb ihr auch die kleine Kammer auf dem Dachboden viel besser gefällt, als das große Schlafzimmer, das eigentlich für sie im neuen Zuhause bestimmt ist. Ihre beiden Brüder benehmen sich so zuckersüß, dass ich als Leserin sie gleich feste drücken wollte, vor allem weil sie sich von Sophies schlechter Laune auch so gar nicht beeindrucken lassen.
Jeder Charakter in diesem Buch ist voller Leben und eigenen Gedanken und auch wenn man als Leser alles aus Sophies Sicht miterlebt, so bekommt man doch einiges von den anderen Figuren mit. Wenn Sophie schließlich Alex kennenlernt, dann möchte man sich mit ihr auch einfach anfreunden. Sie verbreitet so viel Freude und Sonnenschein und genau deshalb finde ich es großartig wie Anne Freytag auch ihr durch die Geheimnisse und all die Gedanken, die sie nur nach und nach Preis gibt eine ganz besondere Tiefe verliehen hat. Die Liebesgeschichte in diesem Buch ist keine typische und sie kommt ganz ohne kitschige Liebesbekundungen und rosa rote Wolken aus. Die Geschichte entwickelt sich nur langsam, aber das macht nichts, weil sie trotzdem keine Sekunde langweilig ist. Als Leser muss man einfach wissen was in Sophies Leben als nächstes passiert und ich konnte gar nicht aufhören zu lesen. Der Schreibstil war so authentisch und hat absolut den Ton getroffen. Zu keinem Zeitpunkt wirkten die Gespräche zwischen den Figuren aufgesetzt oder konstruiert und die Geschichte steuerte immer mehr auf einen Höhepunkt hin, der beides sein konnte, sowohl Happy End, als auch trauriger Ausgang der ungewöhnlichen Liebe.
Ich hätte mir gewünscht, dass am Ende kein so großer Sprung gemacht wird, doch das ist wirklich alles, was ich bei diesem Roman zu meckern habe. Die Geschichte hat auch so zu einem schönen Ende gefunden, bis zu dem ich viel mit Sophie gelacht, aber auch geweint habe und tatsächlich erscheint mir das Handeln der beiden Mädchen auch sehr realistisch, nach allem was passiert ist. Vielleicht ist man als Leser einfach zu verwöhnt von all diesen schönen, rosigen Enden und der Prinzessin, die ihrem Traumprinzen in die Arme fällt.
Ich habe viele unterschiedliche Meinungen zu diesem Buch gelesen, kann allerdings dieses moralische Gehabe nicht verstehen. Wenn man Sophie durch das ganze Buch verfolgt, dann wird man schnell merken, dass sie ihr eigenes Verhalten nicht immer gut findet, aber einfach keine Möglichkeit sieht sich zu ändern. Wer noch nie Charakterzüge hatte, die ihn selbst stören, sie aber nicht ablegen konnte, der möge bitte den ersten Stein werfen. Ich muss zumindest sagen, dass ich mich in der Protagonistin wiederfinden konnte. Vielleicht ist es bei mir nicht das Thema Sex, um das es geht, aber ich habe andere Eigenschaften, die mich selbst total runterziehen und die ich dennoch nicht geändert kriege. Auch finde ich nicht, dass jedes Buch gleichzeitig eine moralische Verantwortung hat. Es geht hier nicht um rechte Parolen oder rassistische Einstellungen, die verherrlicht werden, sondern um das Verhalten eines siebzehnjährigen Mädchens, das nicht weiß wo sie im Leben hin will. Nicht zu begreifen, wieso Sophie nicht umziehen will, kann einem auch nur dann passieren, wenn man selbst nie in Siphies Situation war. Es geht ihr um viel mehr als den Umzug. Plötzlich ist sie nicht mehr der Mittelpunkt im Leben ihres Vaters und das macht diese Veränderung und die Umsiedlung nach München so schrecklich. Dieses Buch ist ab 14 Jahren empfohlen und in einer Zeit, in der Kinder schon in der Grundschule ein Smartphone haben und sich die geballte Macht der sozialen Netzwerke über sie ergießt, glaube ich nicht, dass dieses Buch Leserinnen in falsche Richtungen lenken wird. Ich persönlich habe die Geschichte als sehr real und gut gezeichnet empfunden und hatte nie das Gefühl, dass etwas falsch ankommen könnte. Es ist ein Buch und als solches Teil der Unterhaltung und diese Aufgabe hat Anne Freytag für mich großartig erfüllt.

Insgesamt schreibt Anne Freytag einfach eine Geschichte, wie sie das Leben nicht realistischer schreiben könnte. Voller Leben, Gefühl, Liebe und Schmerz. Ihre Geschichte ist wie eine Achterbahnfahrt und lässt den Leser vollkommen verändert zurück. Für mich ein sehr berührendes Buch zu einem Thema, das in unserer Gesellschaft noch immer seltsam Tabu wirkt und über das niemand wirklich offen zu sprechen scheint. Großartig und mitreißend, rundum herzerweichend erzählt! Keine Freundschaft wird einem je wieder selbstverständlich vorkommen und man denkt darüber nach wie man anderen Menschen begegnet. Ganz klar ein Must-Read und verdiente fünf Blümchen von mir.

Aussehen: ♥♥♥♥♥
 Spannung: ♥♥♥♥
 Schlüssigkeit: ♥♥♥♥♥
 Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥♥
 Schreibstil: ♥♥♥♥♥


2 Kommentare :

  1. Hallo

    Ich habe das Buch auch gelesen und war genauso begeistert.
    Liebe Meggie, deine Besprechung geht mir durch und durch. Wunderbar geschrieben und ich habe es genauso empfunden. Ein Buch, welches man so schnell nicht mehr vergisst.

    Ganz liebe Grüße,
    Gisela

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    1. Liebe Gisela,
      vielen Dank für diesen lieben Kommentar und ich freue mich, wenn es mehr Leser gibt, die dieses Buch so toll fanden wie ich. Die Autorin ist einfach auch eine sehr liebe Person!

      Liebe Grüße

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