Gebundene Ausgabe
Erschienen am: 21. August 2014
Verlag: Droemer HC
ISBN: 978-3426199787
Seitenzahl: 384 Seiten
Preis: 19,99€
Seitenzahl: 384 Seiten
Preis: 19,99€
Einer der Männer beugte sich zu mir und zog mich vom Boden hoch, als würde er eine Distel ausreißen, die an einer Stelle Wurzeln geschlagen hat, an der sie nichts verloren hat. Erst dann bemerkte ich die Menschenmenge, die sich versammelt hatte. Zuerst verstand ich nicht, warum diese Leute, Männer wie Frauen, bewegungslos dastanden und mich schweigend anstarrten. Schließlich begriff ich, dass sie gar nicht mich anstarrten. Ich, das waren zwei tote Männer. Ich, das war ein brennender Hof. Ich war ein Messer. Ich war Blut.
Island in den späten 1820er Jahren. Zwei Frauen und ein Mann werden zum Tode verurteilt. Sie sollen den Heilkundigen Natan Ketilson und einen seiner Freunde des nachts erschlagen, erstochen und anschließend Natans Hof in Brand gesteckt haben.
Eine der Verurteilten ist Agnes Magnusdottir. In dem entlegenen Fleckchen Erde, in dem die Tat stattgefunden hat und deshalb auch das Urteil verstreckt werden soll, mangelt es an einem richtigen Gefängnis. Doch irgendwo müssen die Gefangenen bis zu ihrer Hinrichtung untergebracht werden. Also verteilt man sie auf die umliegenden Bauernhöfe, wo sie so lange arbeiten und Buße tun sollen. Agnes teilt man dem Kornsáhof zu, auf dem Dienstmann Jón mit seiner Familie lebt. Und sie sind sich einig: keiner von ihnen will eine Mörderin im Haus haben. Je länger Agnes allerdings bei der Familie wohnt und für sie arbeitet, desto mehr muss diese erkennen, dass sie es sich reichlich einfach gemacht hat, Agnes einfach zu verurteilen. Nach und nach entdecken vor allen Dingen Jóns Frau Margaret, ihre Tochter Steina und Pfarrvikar Tóti, den Agnes zu ihrem geistigen Beistand bestellt hat, dass mehr hinter dieser geheimnisvollen, stillen Frau steckt. Und der Tag der Hinrichtung rückt immer näher...
Historische Romane, die auf wahren Begebenheiten beruhen oder zumindest von diesen inspiriert sind, haben immer einen ganz besonderen Reiz für mich. Besonders wenn es um Themen, Epochen oder Ereignisse geht, die ich vorher vielleicht gar nicht auf dem Schirm hatte, die aber doch sehr interessant klingen.
So war es bei Hannah Kents "Das Seelenhaus". Mit Island habe ich mich noch nie besonders viel beschäftigt, weder historisch betrachtet, noch aus heutiger Sicht. Es ist ein raues Land, unwirtlich könnte man von außen meinen, aber mit ganz eigentümlicher Schönheit, in das Hannah Kent ihre Leser entführt. Sie erspart uns langatmige, seitenlange Landschaftsbeschreibungen, zu denen sicher Gelegenheit bestanden hätte, und schafft es trotzdem die Atmosphäre des Tals rüber zu bringen, in dem die ganze Geschichte spielt. Weit verstreute Bauernhöfe, daraus resultierend weite Wege, um überhaupt zum nächsten Nachbarn zu gelangen, und wiederum daraus resultierend eine gewisse Einsamkeit. Ein beklemmender Gedanke in dieser Einsamkeit mit einer Mörderin zusammenleben zu müssen, weil der Landrat es befiehlt.
Abwechselnd begleitet man die unterschiedlichen Charaktere, beispielsweise Pfarrer Tóti oder Margaret und natürlich Agnes. Agnes ist hierbei die einzige, die in der Ich-Form erzählt, was eine besondere Nähe zu ihr schafft. Man bekommt mit, wie sie von aller Welt behandelt, angesehen und verurteilt wird. Hannah Kent gelingt es mit Agnes eine sehr facettenreiche Protagonistin zu erschaffen, in die man sich trotz ihrer etwas eigenen Art sehr gut einfühlen kann, schwankend zwischen Resignation, Angst und Verzweiflung. Aber auch die übrigen Charaktere sind gut gelungen, mit verständlichen Sorgen, Ängsten und Motivationen.
Bis kurz vor Schluss bleibt offen, ob Agnes im Sinne der Anklage schuldig ist. Ob sie dabei geholfen hat, Pétur und Natan den Schädel einzuschlagen und sie zu erstechen und ob sie tatsächlich das Feuer gelegt hat, um Spuren des Mordes zu verwischen. Umso bemerkenswerter fand ich, wie sehr mir Agnes ans Herz gewachsen ist, obwohl nicht von Anfang von ein rechtschaffenes "zu Unrecht verurteilt" über dem ganzen schwebte.
"Das Seelenhaus" ist eines jener Bücher, die bereits im Klappentext verraten, was am Ende stehen wird. Man weiß es eigentlich das ganze Buch über und trotzdem hat man die vage und irgendwie doch drängende Hoffnung, dass der Plot sich anders entwickelt. Dass es vielleicht doch ein Happy End in letzter Minute gibt. Aber darum geht es in der Geschichte von Agnes Magnusdottir überhaupt nicht. Es geht um die letzten Wochen und Monate einer bemerkenswerten Frau - der letzten, an der in Island die Todesstrafe vollstreckt wurde.
Hannah Kent gibt an, sehr detailliert recherchiert, sämtliche Aufzeichnungen und Überlieferungen über die historische Agnes gewälzt und die Geschichte so gut es geht rekonstruiert zu haben und sie dort, wo sie nicht eindeutig nachzuvollziehen war, mit 'historischen Wahrscheinlichkeiten' gefüllt zu haben, wie sie es nennt. Ob Agnes Magnusdottir nun wirklich so war wie in diesem Buch beschrieben, ob sie Natan Ketilson tatsächlich umgebracht hat oder ob sie zu Unrecht verurteilt wurde - wir werden es vielleicht nie erfahren. Dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - war "Das Seelenhaus" einfach ein emotional sehr intensives und packendes Buch, wofür es von mir fünf Blümchen gibt.
Island in den späten 1820er Jahren. Zwei Frauen und ein Mann werden zum Tode verurteilt. Sie sollen den Heilkundigen Natan Ketilson und einen seiner Freunde des nachts erschlagen, erstochen und anschließend Natans Hof in Brand gesteckt haben.
Eine der Verurteilten ist Agnes Magnusdottir. In dem entlegenen Fleckchen Erde, in dem die Tat stattgefunden hat und deshalb auch das Urteil verstreckt werden soll, mangelt es an einem richtigen Gefängnis. Doch irgendwo müssen die Gefangenen bis zu ihrer Hinrichtung untergebracht werden. Also verteilt man sie auf die umliegenden Bauernhöfe, wo sie so lange arbeiten und Buße tun sollen. Agnes teilt man dem Kornsáhof zu, auf dem Dienstmann Jón mit seiner Familie lebt. Und sie sind sich einig: keiner von ihnen will eine Mörderin im Haus haben. Je länger Agnes allerdings bei der Familie wohnt und für sie arbeitet, desto mehr muss diese erkennen, dass sie es sich reichlich einfach gemacht hat, Agnes einfach zu verurteilen. Nach und nach entdecken vor allen Dingen Jóns Frau Margaret, ihre Tochter Steina und Pfarrvikar Tóti, den Agnes zu ihrem geistigen Beistand bestellt hat, dass mehr hinter dieser geheimnisvollen, stillen Frau steckt. Und der Tag der Hinrichtung rückt immer näher...
Historische Romane, die auf wahren Begebenheiten beruhen oder zumindest von diesen inspiriert sind, haben immer einen ganz besonderen Reiz für mich. Besonders wenn es um Themen, Epochen oder Ereignisse geht, die ich vorher vielleicht gar nicht auf dem Schirm hatte, die aber doch sehr interessant klingen.
So war es bei Hannah Kents "Das Seelenhaus". Mit Island habe ich mich noch nie besonders viel beschäftigt, weder historisch betrachtet, noch aus heutiger Sicht. Es ist ein raues Land, unwirtlich könnte man von außen meinen, aber mit ganz eigentümlicher Schönheit, in das Hannah Kent ihre Leser entführt. Sie erspart uns langatmige, seitenlange Landschaftsbeschreibungen, zu denen sicher Gelegenheit bestanden hätte, und schafft es trotzdem die Atmosphäre des Tals rüber zu bringen, in dem die ganze Geschichte spielt. Weit verstreute Bauernhöfe, daraus resultierend weite Wege, um überhaupt zum nächsten Nachbarn zu gelangen, und wiederum daraus resultierend eine gewisse Einsamkeit. Ein beklemmender Gedanke in dieser Einsamkeit mit einer Mörderin zusammenleben zu müssen, weil der Landrat es befiehlt.
Abwechselnd begleitet man die unterschiedlichen Charaktere, beispielsweise Pfarrer Tóti oder Margaret und natürlich Agnes. Agnes ist hierbei die einzige, die in der Ich-Form erzählt, was eine besondere Nähe zu ihr schafft. Man bekommt mit, wie sie von aller Welt behandelt, angesehen und verurteilt wird. Hannah Kent gelingt es mit Agnes eine sehr facettenreiche Protagonistin zu erschaffen, in die man sich trotz ihrer etwas eigenen Art sehr gut einfühlen kann, schwankend zwischen Resignation, Angst und Verzweiflung. Aber auch die übrigen Charaktere sind gut gelungen, mit verständlichen Sorgen, Ängsten und Motivationen.
Bis kurz vor Schluss bleibt offen, ob Agnes im Sinne der Anklage schuldig ist. Ob sie dabei geholfen hat, Pétur und Natan den Schädel einzuschlagen und sie zu erstechen und ob sie tatsächlich das Feuer gelegt hat, um Spuren des Mordes zu verwischen. Umso bemerkenswerter fand ich, wie sehr mir Agnes ans Herz gewachsen ist, obwohl nicht von Anfang von ein rechtschaffenes "zu Unrecht verurteilt" über dem ganzen schwebte.
"Das Seelenhaus" ist eines jener Bücher, die bereits im Klappentext verraten, was am Ende stehen wird. Man weiß es eigentlich das ganze Buch über und trotzdem hat man die vage und irgendwie doch drängende Hoffnung, dass der Plot sich anders entwickelt. Dass es vielleicht doch ein Happy End in letzter Minute gibt. Aber darum geht es in der Geschichte von Agnes Magnusdottir überhaupt nicht. Es geht um die letzten Wochen und Monate einer bemerkenswerten Frau - der letzten, an der in Island die Todesstrafe vollstreckt wurde.
Hannah Kent gibt an, sehr detailliert recherchiert, sämtliche Aufzeichnungen und Überlieferungen über die historische Agnes gewälzt und die Geschichte so gut es geht rekonstruiert zu haben und sie dort, wo sie nicht eindeutig nachzuvollziehen war, mit 'historischen Wahrscheinlichkeiten' gefüllt zu haben, wie sie es nennt. Ob Agnes Magnusdottir nun wirklich so war wie in diesem Buch beschrieben, ob sie Natan Ketilson tatsächlich umgebracht hat oder ob sie zu Unrecht verurteilt wurde - wir werden es vielleicht nie erfahren. Dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - war "Das Seelenhaus" einfach ein emotional sehr intensives und packendes Buch, wofür es von mir fünf Blümchen gibt.
Aussehen: ♥♥♥♥
Charaktere: ♥♥♥♥♥
Spannung: ♥♥♥♥
Schlüssigkeit: ♥♥♥♥♥
Originalität: ♥♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥♥
Schreibstil: ♥♥♥♥♥
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