Titel: Gräser der Nacht
Reihe: -
Autor: Patrick Modiano
Genre: Roman
Verlag: Hanser
ISBN: 978-3446247215
Seitenzahl: 174 Seiten
Preis: 18,90 €
Es war genau das Gefühl, das du verspürst, wenn du lange ein erleuchtetes Fenster betrachtest: ein Gefühl von Anwesenheit und Abwesenheit zugleich. Hinter der Glasscheibe ist das Zimmer leer, doch jemand hat die Lampe angelassen.
Jean streift durch die Straßen von Paris und erinnert sich an eine Zeit, die mittlerweile gut ein halbes Jahrhundert zurück liegt. Es war eine Zeit, in der er sich mit durchaus fragwürdiger Gesellschaft umgeben hat. Männern, von denen er eigentlich nichts wusste, manchmal nicht einmal den Vornamen. Und es war eine Zeit, in der er mit Dannie zusammen war, einer geheimnisvollen jungen Frau, die nachts in fremde Wohnungen einsteigt als wäre es das normalste der Welt. Jean begleitet sie, ganz gleich wohin sie ihn mitnimmt. Er hinterfragt sie nicht, genießt einfach nur die Zeit mit ihr und ignoriert alle Warnungen und Hinweise darauf, dass etwas an ihrer Geschichte nicht stimmen könnte. Und es stimmt einiges nicht. Angeblich hat Dannie jemanden getötet. Und angeblich ist Dannie auch nicht ihr richtiger Name.
Gut ein halbes Jahrhundert später wandelt Jean auf den Spuren seiner Erinnerung und versucht Licht ins Dunkel zu bringen.
Literaturnobelpreis 2014, kündet es schon auf der Rückseite es Buches. Dazu ein Klappentext, der trotz des knackig-kurzen Umfang des Buches eine interessante Geschichte verspricht. Ich war neugierig, denn ein so kurzer Umfang bedeutet immer eine Herausforderung an die Autoren. Haben sie es geschafft, ihre Geschichte auch auf wenig Platz rüber zu bringen?
Wie bereits erwähnt geht es um Jeans Lebensgeschichte, und deswegen begleitet uns auch Jean als Ich-Erzähler durch das ganze Buch. Er blättert in einem alten Notizbuch, in dem er sich seinerzeit flüchtige, scheinbar zusammenhangslose Informationsschnipsel aufgeschrieben hat, und versucht sie irgendwie wieder in einen Kontext zu setzen. Die Bilder, Personen und Szenen heraufzubeschwören, zu denen sie einst gehörten. Dabei haben Jean und sein Schöpfer Modiano mich allerdings schon recht früh verloren, denn Jeans Erinnerungen sind ein einziges Chaos. Die totale Zusammenhangslosigkeit mag ein Stilmittel Modianos sein, um zu verdeutlichen wie lange die ganzen Ereignisse zurück liegen. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, was ich im Detail an diesem oder jenem Tag vor 3 Jahren gemacht hab, wie muss es da erst nach 50 sein?
Trotzdem liest es sich einfach unangenehm. Hier ein Erinnerungsfetzen, dort einer, und eigentlich hat man keine Ahnung wozu das ganze überhaupt gut sein soll. Zu Dannie und dem Verbrechen, das sie vermeintlich begangen hat? Die Geschichte dorthin ist dünn. Sehr dünn. Man erfährt sehr wenig über Dannie, was, so nehme ich an, auch gewollt ist, denn es lässt sie sehr geheimnisvoll wirken. Auf der anderen Seite hat es leider aber auch den Effekt, dass sie sehr blass wirkt. Überhaupt nicht greifbar. Ich konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Jean sich so an sie gehängt hat, denn die Handlungsteile, an die er sich erinnert, wirken stellenweise sehr konstruiert. Auch die anderen Randfiguren machen keinen besseren Eindruck. Es sind Namen und vage Details wie welchen Wagen sie gefahren haben, welche Art Kleidung sie bevorzugten, in welchem Hotel sie übernachteten. Ansonsten blieben sie für mich leer und farblos. Emotionale Tiefe? Totale Fehlanzeige.
Modiano versteht es, ein paar wirklich schöne Zeilen einzubauen. Sprachlich großartig, aber das reicht eben nicht, um über ein ganzes Buch voll verworrenen Inhalts hinweg zu täuschen.
Ich muss gestehen, ich fühle mich ein klein wenig wie ein Kulturbanause dem Literaturnobelpreis 2014 nur zwei Blümchen zu geben, aber ich habe jetzt lange genug überlegt und dieses Buch hat mich beim Lesen einfach nicht überzeugt. Dann bin ich eben ein Kulturbanause, aber dabei wenigstens ehrlich.
Aussehen: ♥♥
Charaktere: ♥♥
Spannung: ♥♥
Schlüssigkeit: ♥
Emotionale Tiefe: ♥♥
Schreibstil: ♥♥♥
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