Titel: Gott, hilf dem Kind
Reihe: -
Autor: Toni Morrison
Genre: Roman
Verlag: Rowohlt
ISBN: 978-3-498-04531-9
Seitenzahl: 203 Seiten
Preis: 19,95€
Als Lula Ann geboren wird ist ihre Haut so viel dunkler als die ihrer Eltern, dass ihr Vater die Familie verlässt, weil er nicht glauben kann, dass das Kind von ihm ist. Ihre Mutter Sweetness erzieht das Mädchen dazu, still zu sein, geradezu unsichtbar. Es bewahrt sie nicht vor demütigenden Angriffen anderer, reduziert sie aber zumeist auf die verbale Ebene. Aber Lula Ann ist nicht dafür gemacht das stille, unscheinbare Mäuschen zu sein. Als sie erwachsen wird löst sie sich zunehmend aus dieser Rolle, nennt sich Bride, trägt provokant nur weiß, um ihre dunkle Haut zu betonen und macht eine steile Karriere bei einer Kosmetikfirma. Lula Ann hat sich neu erfunden - aber weiß sie, wer sie wirklich ist?
Man sollte meinen wir leben in einer Zeit, in der die Hautfarbe keine Rolle mehr spielt. Aber ein Blick rüber nach Amerika genügt - vielleicht auch schon der vor die eigene Haustür -, um zu zeigen: es ist nicht so.
Das Buch beginnt mit Sweetness' Erzählung über Lula Anns Geburt und wie ihr Mann die Familie verlassen hat, weil er ihr nicht glauben wollte, dass es sein Kind ist. Es ist schwierig mitzulesen, wie dieses kleine Mädchen von der eigenen Mutter für etwas bestraft wird, für das es überhaupt nichts kann. Sweetness betrachtet ihre Tochter als einen Makel, vielleicht sogar eine Art Strafe für irgendetwas, daran lässt sie gar keinen Zweifel. Erst nach und nach erfährt man, dass sie selbst in einer Zeit aufgewachsen ist, in der Schwarze nicht aus denselben Wasserspendern trinken durften wie Weiße, in denen sie ihre Kleider oder Schuhe nicht im selben Raum anprobieren durften wie Weiße und in denen es bei Hochzeiten zwei Bibeln gab, damit Weiße bei ihrem Schwur nicht dieselben berühren mussten wie Schwarze. Aber auch wenn sich ein Hauch Verständnis einstellt - es tut trotzdem irgendwie weh.
Aber Lula Ann, die sich jetzt Bride nennt, geht ihren Weg und hat den Kontakt zu ihrer Mutter, die sie klein halten wollte, auf ein Minimum beschränkt. Sie hat Karriere gemacht und genießt, was sie erreicht hat - sowohl beruflich, als auch im Privaten, wo sie praktisch jeden Liebhaber an Land ziehen kann, den sie sich wünscht. Und für gewöhnlich ist sie es, die diese Liebhaber auch wieder abserviert. Doch der letzte, bei dem es ihr drauf angekommen wäre, hat mit ihr Schluss gemacht, weil sie nicht die Frau ist, für die er sie gehalten hat. Diese Worte lassen Bride nicht mehr los und während sie sich von einem schmerzhaften Übergriff erholt, geht sie auf die Suche nach sich selbst - und der Frau, mit der ihr Freund vielleicht zusammen geblieben wäre.
Ich bin mit falschen Erwartungen an diesen doch recht kompakten, aber inhaltlich gewaltigen Roman heran gegangen. Ich dachte es ginge eher zum Lula Anns Aufstieg an Stelle einer Liebesgeschichte inklusive skurrilem Selbstfindungstrip. Es ist in jedem Fall ein Buch, das man in Ruhe auf sich wirken lassen muss. Einige Winkelzüge haben sich mir zum Beispiel erst richtig erschlossen, als ich schon ein wenig zeitlichen Abstand zur Geschichte hatte. Es mag also aufgrund seiner gerade mal 203 Seiten dazu einladen es zwischen Tür und Angel zu lesen, aber ich würde doch eher empfehlen "Gott, hilf dem Kind" lieber in Ruhe zu lesen. Ich persönlich fand Brides Geschichte dann doch an einigen Ecken und Enden zu verrückt, um drunter setzen zu können, dass sie mir wirklich gefallen hat, aber das ändert nichts daran, dass Toni Morrison ein bedeutungsschwerer Roman gelungen ist.
Wie immer ist die Wertung natürlich subjektiv und deshalb gibt es von mir "bloß" drei Blümchen für die Selbstfindung der Lula Ann Bridewell, wobei hier vielleicht mehr noch als bei anderen Romanen gilt: jeder sollte sich selbst ein Bild machen.
Aussehen: ♥♥♥♥♥
Spannung: ♥♥♥
Schlüssigkeit: ♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥
Schreibstil: ♥♥♥
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