Und wie wäre das Stück wohl weitergegangen, wenn den beiden die Flucht vor ihren Familien gelungen wäre? Hätten sie glücklich in einem kleinen Dorf irgendwo in Venetien gewohnt? Hätte Julia den Haushalt besorgt, obwohl sie als höhere Tochter weder kochen konnte noch je einen Fußboden gewischt hatte? Und wäre er morgens zur Arbeit gegangen, obwohl er als verwöhntes Bürschchen aus reichem Haus nicht mal theoretisch wusste, wie man einen Hammer hielt? Hätten sie Kinder bekommen? Hätten ihre Kinder ADHS gehabt oder Laktoseintoleranz? Hätte sie ihm vorgeworfen, dass die Geburten ihre Figur ruiniert hätten? Hätte er dasselbe von ihrem Essen behauptet? Hätte er gerne im Wirtshaus gesessen und der Bedienung auf den Hintern gestarrt, während sie Trost in den Armen des Gärtners suchte?
Was wäre, wenn das Liebespaar nicht drei Tage, sondern dreißig Jahre miteinander verbracht hätte? Hatte Shakespeare der Welt verschwiegen, dass Selbstmord weit weniger Mut erfordert als ein Leben zu zweit zu führen?
("Romeo & Romy" von Andreas Izquierdo, Seiten 276/277)
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