Titel: Die Gestrandete
Reihe: -
Autor: Alexander Maksik
Genre: Roman
Verlag: Droemer
ISBN: 978-3-426-19974-9
Seitenzahl: 288 Seiten
Preis: 19,99€
"Mehr Almosen. Was konnte die Frau in ihrem Gesicht sehen, was Jacqueline in der Toilette selbst nicht gesehen hatte? Sie musste es herausfinden, damit sie es verändern konnte. Es sei denn, es war einfach ihre Hautfarbe und ganz und gar nichts Verstecktes, Geheimnisvolles. War schwarz zu sein auf dieser Insel gleichbedeutend damit, ein Flüchtling zu sein?"
Jacqueline ist eine Gestrandete. Heimatlos, sprachlos. Sie
ist 23 Jahre alt und aus ihrem afrikanischen Geburtsland geflohen. Nun kämpft
sie an einem griechischen Strand ums Überleben. Tagsüber versucht sie, unter
den Touristen nicht aufzufallen, nachts wäscht sie sich im Meer. Sie trägt nur
ihre Kleidung und Erinnerungen bei sich. Mehr nicht. Doch über das Erlebte kann
sie nicht sprechen. Bis ihr eines Tages eine Griechin Essen anbietet.
Jacqueline beginnt zu erzählen – von ihrer Familie, ihrem Land, ihrer Flucht.
Und davon, dass Erinnerungen, Erlebnisse und Überleben oft keinen Platz für
Hoffnung lassen.
Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich auf das Buch
vielleicht niemals aufmerksam geworden wäre, wenn die liebe Vertreterin auf dem
Verlagsabend von Droemer nicht so voller Herzblut von dem Buch erzählt hätte.
Das Cover ist zwar hübsch, aber nicht unbedingt ein Hingucker zwischen all den
bunten Sommerlektüren, die sich da in den Regalen bereits tummeln. Dennoch ist
es passend zur Thematik. Ein Thema, bei dem man auf den ersten Blick vielleicht
denkt: „Bitte nicht schon wieder sowas politisches. Über Flüchtlinge höre ich
im Fernsehen doch wirklich genug.“ Aber genau so ist es nicht. Was man im
Fernsehen hört oder in der Zeitung liest, das sind meistens trockene Berichte
darüber, wie schlimm alles für uns ist, weil die Flüchtlinge da sind und immer
mehr kommen. Dieses Buch beleuchtet allerdings die Geschichte eines solchen
Flüchtlings. Zwar ist es kein biographischer Roman, doch das Schicksal der
Protagonistin steht stellvertretend für so viele andere Menschen. Jacqueline
ist jünger als ich und musste doch schon so viel mehr durchmachen. Natürlich
geht es um schreckliche Dinge, die sie erlebt hat und auch um die Politik, die
dahinter steht und den Menschen nicht hilft, aber man bekommt einen vollkommen
anderen Einblick. Einen Einblick, der einen zum Grübeln bringt und noch weit
über das Buch hinaus Wirkung hat.
Der Leser wird einfach mitten in die Geschichte der
Protagonistin geworfen. Sie hat es bereits bis nach Griechenland geschafft.
Etwas, das nicht jeder Flüchtling aus Afrika schafft. An einigen Stellen erhält
man einen Einblick, wenn sich Jacqueline an die Schiffsfahrt erinnert und wie
viele auf dem Weg gestorben sind, immerhin nicht von den Feinden im eigenen
Land getötet, aber doch auf der Flucht gestorben ohne je die Freiheit gekannt
zu haben. Anfangs empfand ich diese Art und Weise des Erzählens etwas
schwierig, weil man sich so viel zusammenreimen musste, doch am Ende ergab
alles einen Sinn und fügte sich zusammen und hat für mich auch den Reiz ausgemacht
das Buch bis zum Ende zu lesen.
Ein weiterer Punkt am Schreibstil, der es mir etwas schwer
gemacht hat, ist der Glaube der Protagonistin und ihre Erinnerungen. An vielen
Stellen spricht sie mit ihrer Mutter, als wäre diese noch da und würde wirklich
mit ihr reden. Sie erinnert sie immer wieder an Gott zu glauben. Es fiel mir
schwer mir das vorzustellen, da ich glaube, dass nach all den schrecklichen
Dingen, die dort durchgestanden wurden, der Glaube irgendwann einfach brechen
muss. Deshalb ging mir die Mutter irgendwann einfach nur noch auf die Nerven,
doch ich denke, dass das wirklich eine sehr subjektive Empfindung ist.
Allerdings geriet die Handlung in Griechenland dadurch natürlich immer wieder
etwas ins Stocken.
Der Autor ist dafür an die schrecklichen Ereignisse, die
seine Protagonistin durchgestanden hat, sehr gefühlvoll herangegangen und
findet genau den richtigen Mittelweg zwischen sachlicher Beschreibung und zu
großem Abstand von den Ereignissen. Es wirkt zu keinem Zeitpunkt konstruiert
oder künstlich dramatisiert. Jacqueline musste schreckliches durchstehen und
doch vielleicht nicht alles auf einmal. Oft habe ich bei solchen Geschichten
von Leid und Schmerz das Gefühl, dass man zu viel Kummer und Leid in einen
Charakter packen wollte, doch in diesem Fall ist alles stimmig. Auch hat die
Protagonisten ihre Schwächen und bricht immer wieder unter der Last der
Ereignisse zusammen. Sie reagiert menschlich und das ist in einem solchen Roman
vielleicht noch wichtiger als sonst.
Mir fehlten in dem Buch eindeutig Kapitel. Es ist schwer in
der Handlung zu bleiben, die immer wieder durch die inneren Gespräche mit der
Mutter unterbrochen wird, wenn man das Buch zwischendurch weglegen muss. Es
gibt einige Große Abschnitte, die eigenständig betitelt sind und dann noch die
kleinen Gedankenstriche, die einzelne Zeitpunkte der Geschichte trennen, doch
oft fand ich diese Abbrüche an den Punkten eher verwirrend als hilfreich. Ich
hätte mir Kapiteleinteilungen gewünscht, doch was das angeht bin ich ja ohnehin
etwas eigen.
Mit „Die Gestrandete“ hat sich Alexander Maksik getraut eine
Thematik zum Teil seines Romans zu machen, die aktueller nicht sein könnte und
die das Potential hat vielen Menschen die Augen für das zu öffnen, was die
Flüchtlinge, die täglich in unser Land kommen, alles schon durchgemacht haben.
Er beschreibt die Ohnmacht, die Angst, die Hoffnungslosigkeit und auch das
Versagen der Staaten und der Menschen, die in ihnen leben. Auf höchst
gefühlvolle Art erzählt er das Leiden einer jungen Frau, die nichts mehr
besitzt, nicht einmal mehr Hoffnung und die dennoch weiter lebt. Auch wenn ich
am Ende nur drei Blumen vergebe, weil ich meine Probleme mit dem Schreibstil
hatte, empfehle ich wirklich jedem dieses Buch zu lesen. Es verändert die
eigene Sicht auf die Dinge in so vielerlei Hinsicht.
Aussehen: ♥♥♥♥
Spannung: ♥♥♥
Schlüssigkeit: ♥♥♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥♥
Schreibstil: ♥♥♥♥
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