Titel: Neue Heimat? - Wie Flüchtlinge uns zu besseren Nachbarn machen
Reihe: -
Autor: Marina Naprushkina
Genre: Sachbuch
Verlag: Europa Verlag
ISBN: 978-3-95890-007-3
Seitenzahl: 238 Seiten
Preis: 16,99€
"Marina, wenn du nachts angerufen wirst, geh bitte dran. Ich rufe dich an, wenn sie zum Abschieben kommen..."
Diese Hilfe leistet Marina Naprushkina zusammen mit Freunden und Bekannten. Was als Bastelnachmittag für Kinder begonnen hat, wächst sich schnell zu einem Vollzeitjob aus. Marina wird zur Vertrauensperson, dolmetscht zwischen Behörden, Ärzten, Anwälten, der Polizei und ihren Schützlingen - zu jeder Tages- und Nachtzeit, denn wenn die Abschiebung droht nimmt niemand Rücksicht auf Freizeit, Familienbesuche oder Ausflüge. All das bereitet Naprushkina in kurzen, aber sehr aussagekräftigen Tagebucheinträgen auf. Es sind ganz alltägliche Situationen, die sie schildert, die einen betroffen, oft aber auch wütend machen. Wenn eine hochschwangere Frau, bei der aus medizinischer Sicht ein Kaiserschnitt notwendig wäre, nicht in einem Krankenhaus aufgenommen wird, weil der Pass fehlt. Wenn die Toilettentüren in einer Flüchtlingsunterkunft von der Leitung abgeschlossen werden und erwachsene Menschen für jeden Toilettengang um Erlaubnis und einen Schlüssel bitten müssen. Wenn Familien auseinander gerissen werden, weil es nicht Problem der deutschen Behörden ist, wenn irgendwo ein Kind fehlt. Wenn Kinder sich panisch zusammenkauern, weil irgendwo ein Hubschrauber landet, weil es in ihrer Heimat Krieg, Schmerzen und Tod bedeutet hat.
Manchmal war ich wirklich fassungslos. Und gleichzeitig voller Bewunderung für die Autorin, die, und das beschönigt sie auch gar nicht, oft an ihre Grenzen stößt und trotzdem nicht aufgibt. Wenn sie mitten in der Nacht panisch angerufen wird, weil die Polizei sich Zugang zu einer Wohnung verschafft hat, setzt sie alle Hebel in Bewegung, um zu vermitteln, kümmert sich um Anträge, Terminkoordination, versucht zu helfen wo sie kann und das alles ohne sich in ihrem eigenen Buch in irgendeiner Form selbst zu beweihräuchern. Natürlich ist sie stolz auf die Veranstaltungen, die sie auf die Beine stellt, und ich finde das kann sie auch sein.
Aber Marina hat dieses Buch nicht geschrieben, damit man ihr auf die Schulter klopft. Dieses Buch ist geschrieben und veröffentlicht worden, um uns die Augen ein wenig für die Situation dieser Menschen zu öffnen, die alles in ihrer Heimat zurückgelassen haben und denen ein Neuanfang hier oft so schwer gemacht wird.
Zum Glück gibt es sehr sehr viele Menschen in Deutschland, die helfen wollen und auch helfen. Ich erlebe es selbst jeden Tag in der Bücherei, wie viele ehrenamtliche Helfer sich dort einfinden, übersetzen, Sprech-Cafés leiten oder Flüchtlingen einfach die Stadt zeigen. Menschen, die ihnen einfach dabei helfen anzukommen. Allen, die das für verklärtes Gutmenschentum halten, empfehle ich einfach Marinas Buch. Es ist nicht dick, aber es wiegt schwer.
Aussehen: ♥♥♥♥
Spannung: -
Schlüssigkeit: ♥♥♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥♥
Schreibstil: ♥♥♥♥♥
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