Titel: Ich und die Menschen
Reihe: -
Autor: Matt Haig
Genre: Science Fiction/Roman
Verlag: dtv
ISBN: 978-3423260145
Seitenzahl: 350 Seiten
Preis: 14,99 €
"Was ich sagen will, ist, es dauert so lange, die Menschen zu verstehen, weil sie sich selbst nicht verstehen. Sie tragen schon so lange Kleidung. Metaphorische Kleidung. Das meine ich. Das war der Preis der menschlichen Zivilisation - um sie zu erschaffen, mussten sie die Tür zu ihrem wahren Selbst verschließen. Und dabei haben sie sich verloren, so verstehe ich es."
Andrew Martin, Professor für Mathematik, hat eines der letzten großen Rätsel der Mathematik gelöst. Doch außerirdische Mächte sind damit alles andere als einverstanden. Sie glauben, dass die Menschen noch nicht bereit für den technischen Fortschritt sind, der aus diesem Erfolg resultieren würde. Also eliminieren sie den echten Andrew Martin und schicken einen der ihren in seinem Körper zurück auf die Erde. Sein Auftrag: Alle Beweise für Martins Forschungserfolge vernichten. Einschließlich aller Personen, die davon wissen. Aber ist wirklich alles grundlegend schlecht, was von den Menschen kommt? Schließlich haben sie Erdnussbutter erfunden. Wunderschöne Gedichte geschrieben. Und dann gibt es noch dieses merkwürdige Gefühl, das sie füreinander entwickeln, wenn sie sich umeinander sorgen...
Eigentlich ist Science Fiction so überhaupt nicht mein Genre. Außerirdische, überentwickelte Technologie, ferne Zukunftsmusik, Raumschiffe - das sagt mir eigentlich absolut nicht zu. Gut also, dass ich nach dem Klappentext auch nochmal in die ersten paar Seiten rein gelesen hab. Schon das "Vorwort zur terrestrischen Ausgabe" hat mich dermaßen zum Lachen gebracht, dass ich dem Buch eine Chance eingeräumt habe.
Und jetzt, nachdem ich mit es fertig gelesen habe, kann ich mir nur selbst zu meiner Entscheidung beglückwünschen. Denn es geht gar nicht so sehr um all die oben genannten Dinge, die ich an Science-Fiction/Zukunftsromanen nicht mag. Es geht um die Menschen. In all ihrer Schönheit, Hässlichkeit, Widersprüchlichkeit. Ich habe mich selten so in einen Protagonisten einfühlen können und das, obwohl der in diesem Buch hier keinen Namen hat (erzählt wird aus der Ich-Perspektive, und alle Menschen sprechen ihn natürlich mit dem Namen Andrew Martin an) und es sich nicht mal um ein menschliches Wesen handelt. Matt Haigs Hauptfigur, also der Erzähler, eröffnet uns als Leser einen ganz neuen Blickwinkel auf viele für uns selbstverständliche Gewohnheiten. Zum Beispiel wird er auf der Straße angespuckt und hält das anschließend für die gängige, höfliche Grußform auf der Erde. Oder er findet es sehr befremdlich, dass jeder Kleidung trägt - und dann auch noch verschiedene Schichten davon! Auch lernt er, dass Ehrlichkeit wichtig ist, Menschen einander aber manchmal aus Rücksicht anlügen, weil die nackte Wahrheit verletzender ist, als angelogen zu werden.
Es ist ein amüsanter, aber auch berührender Prozess, den Erzähler dabei zu begleiten wie seine ablehnende Haltung gegenüber den Menschen (die er im Übrigen potthässlich findet) langsam aber sicher auftaut und er sich nicht nur an sie gewöhnt, sondern sich letzten Endes sogar wohler unter ihnen fühlt als in seiner Heimat. Und es macht einen ganz schön nachdenklich, wenn man eine so objektive Sicht unserer alltäglichen Rituale und Gewohnheiten vor Augen geführt bekommt.
Alles in allem hat Matt Haig einen überaus witzigen, aber eben auch zum Nachdenken anregenden Roman geschaffen, der einer sehr persönlichen, schwierigen Zeit des Autors entsprungen ist. Für mich ist das glatt fünf Blümchen wert und den Titel 'neuer Liebling'.
Aussehen: ♥♥♥♥♥
Charaktere: ♥♥♥♥
Spannung: ♥♥♥♥
Schlüssigkeit: ♥♥♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥
Schreibstil: ♥♥♥♥♥