Fest Gebunden
Erschienen am: 01. September
2012
Verlag: Bastei Lübbe
ISBN: 978-3847905172
Seitenzahl: 400
Preis: 19,33€
ISBN: 978-3847905172
Seitenzahl: 400
Preis: 19,33€
Zitat:
Die seriösesten Mitteilungen waren problemlos "Hut ab vor ihrer klaren Sprache!", stand da, oder: "Sehe jede Sendung. Endlich bricht mal jemand die verkrusteten Strukturen auf." Letzteres schien im Volk ein dringendes Anliegen zu sein, gleich mehrfach wurde das Aufbrechen beziehungsweise Vorhandensein derart verkrusteter Strukturen angemahnt, ein vermutlicher Amateurarchitekt sprach von "Stuckturen", ein Metallexperte auch von "verrosteten" Strukturen, aber letztlich war klar, was gemeint war. Und für einen Deutschen gibt es natürlich wichtigere Eigenschaften als die Rechtschreibung, die ohnehin einen lästigen Hang zur bürokratischen Haarspalterei besitzt.
Inhalt:
Frühjahr 2011. Adolf Hitler erwacht auf einem leeren
Grundstück in Berlin-Mitte. Ohne Krieg, ohne Partei, ohne Eva. Im tiefsten
Frieden, unter Tausenden von Ausländern und Angela Merkel. 66 Jahre nach seinem
vermeintlichen Ende strandet der Gröfaz in der Gegenwart und startet gegen
jegliche Wahrscheinlichkeit eine neue Karriere – im Fernsehen.
Dieser Hitler ist keine Witzfigur und gerade deshalb
erschreckend real. Und das Land, auf das er trifft, ist es auch: zynisch,
hemmungslos erfolgsgeil und auch trotz Jahrzehnten deutscher Demokratie
vollkommen chancenlos gegenüber dem Demagogen und der Sucht nach Quoten, Klicks
und „Gefällt mir“-Buttons.
Zum Buch:
Da steht sie wieder im Raum die große Frage, die man sich
vielleicht gerade auch als Geschichtsstudent und angehender Geschichtslehrer ab
und an mal stellt. Sind Geschichten oder Anekdoten, kleine Witze, über Hitler
wirklich witzig, oder ist dies ein Thema, das lieber dem Humorbereich
verschlossen bleiben sollte. Genau diese Frage stellt sich auch das
Produktionsteam in Timur Vermes Erstlingswerk und sie kommen zum dem Schluss,
dass eine solche Gesellschaftskritik durchaus komisch sein kann. Und auch ich
muss sagen, dass ich es leid bin mir anhören zu müssen, wie schrecklich und
bösartig dieser Mann war und was das deutsche Volk damals verbrochen hat. Meine
Großeltern waren noch recht jung damals und warum sollte ich mir den Schuh anziehen
schuld an der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu sein. Meiner Meinung
nach wurde es längst mal Zeit, dass der verstockte und verstaubte Blick auf den
Führer des Dritten Reiches aufgefrischt wird und man auch mal eine vollkommen
andere Perspektive bekommt.
Das Cover fand ich persönlich sehr gelungen. Es ist schlicht
und zugleich vollkommen aussagekräftig. Es bedarf nicht des markanten Schnauzers.
Die gescheitelte Frisur reicht vollkommen aus, um sich zu fragen: „Geht es in
diesem Buch um Hitler?“ Es reicht den Preis des Buches in Deutschland
anzusehen, um Gewissheit zubekommen. Mit 19,33 Euro wird deutlich, dass es
tatsächlich um Adolf Hitler geht. Doch es soll nicht etwa das Leben des Mannes
verfolgt werden, wie es in manchen Historischen Romanen der Fall ist, nein,
stattdessen sucht sich Vermes ein vollkommen neues Umfeld für seinen Protagonisten.
Die Charaktere sind jeder auf seine eigene Art genial
geschrieben. Alle Eigenarten treffen aufeinander. Meiner Meinung nach gelingt
es Timur Vermes recht gut ein realistisches Bild des Führers zu zeichnen. Er
stellt den Mann nicht als kranken Menschen ohne Mitgefühl aber mit Kalkül und
Kaltherzigkeit hin, sondern verleiht ihm die menschlichen Züge, die er sicher
auch in Wirklichkeit gehabt hat. Auch die Gedankengänge und das genaue Abwägen
werden wunderbar beschrieben.
Wo die Geschichte hinlaufen soll, das war mir ohnehin von
Anfang an ein Rätsel, das sich auch erst am Ende aufklärt. Allerdings hätte ich
mir als spannenden Höhepunkt noch etwas mehr erwartet, als das laue Happy End,
das der Autor nicht nur dem Protagonisten, sondern auch allen anderen
Beteiligten beschert.
Mit viel Humor steigt der Autor in die Geschichte ein. Man
ist unmittelbar im Geschehen und fühlt sich vielleicht hin und wieder genauso
verloren wie auch Hitler in dem seltsamen Berlin, das der Stadt zu seiner Zeit
so gar nicht ähnlich sieht. Mit viel Geschick wird der Protagonist in die
erstaunlichsten und lustigsten Situationen gestoßen und stößt mit seinen Ideen
immer wieder an, wobei niemand zu begreifen scheint, dass er alles was er sagt
tatsächlich ernst meint. Allein die Konfrontation mit einem Wäschereibesitzer
oder der Schlagabtausch mit der Bild sind einfach großartig beschrieben und ich
habe Tränen geweint.
Wir wollen wohl alle hoffen, dass Personen aus der
Vergangenheit, besonders mit solch einer Konfliktvergangenheit, nicht wieder
aufstehen, doch der rote Faden der Geschichte ist zumindest bis kurz vor Ende
zu erkennen. Leider fand ich das Ende an dieser Stelle etwas unpassend,
geradezu so, als bleiben dem Autor keine Seiten mehr, um ein richtiges Ende
auszuführen.
Emotional ergreifend war die Geschichte sicher nicht, doch
das war auch nicht ihr Anspruch. Viel mehr ist es in erster Linie eine Satire,
bei der man lachen soll, aber auch darüber nachdenken soll, was Timur Vermes
vermitteln möchte und wie er unsere Gesellschaft sieht.
Die Umsetzung gelingt vielleicht gerade aufgrund des
wundervollen Schreibstils so besonders gut. Absolutes Highlight waren für mich
die unterschiedlichen Dialekte der Berliner und des Lothar auf den Wiesn. Auch
die Ausdrucksweise des Protagonisten wirkte passend und vielleicht sogar ab und
an authentisch. Die Kapitel hatten eine angenehme Länge und endeten stets so,
dass man das Gefühl bekam unbedingt noch weiter lesen zu müssen, weil es gerade
einfach zu lustig oder zu spannend ist.
Fazit:
Insgesamt sicher ein kontroverses Thema, doch das Buch ist
großartig geschrieben. Die lustigen Szenen können das lahme Ende vergessen
machen. Allerdings sollte man sich in der aktuellen Gesellschaft schon etwas
auskennen, ansonsten kann man sich über die verzweifelten Politiker, die nur
selten beim Namen genannt werden, nur halb so gut lustig machen. Ein Buch, das
zum Denken einlädt und zum Lachen. Es besitzt Komik, doch genauso ist es auch
erschreckend, weil stets die Wahrheit gesagt wird.
Aussehen: ♥♥♥♥♥
Charaktere: ♥♥♥♥
Spannung: ♥♥♥
Humor: ♥♥♥♥
Schlüssigkeit: ♥♥♥♥
Originalität: ♥♥♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥♥♥
Schreibstil: ♥♥♥♥♥
Umsetzung: ♥♥♥♥
Charaktere: ♥♥♥♥
Spannung: ♥♥♥
Humor: ♥♥♥♥
Schlüssigkeit: ♥♥♥♥
Originalität: ♥♥♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥♥♥
Schreibstil: ♥♥♥♥♥
Umsetzung: ♥♥♥♥
Hi Meggie,
AntwortenLöschenich kann dir nur zustimmen. Das Buch ist einfach großartig geschrieben und vernachlässigt bei allem Witz auch nicht die moralischen Aspekte von Timur Vermes Gedankenspiel. Mir hat dieses Buch richtig lange zu denken gegeben und ich bin froh, dass ich es gelesen habe, obwohl ich erst dachte, dass das niemals etwas für mich wäre.
Die Covergestaltung kann übrigens auch gar nicht genug gelobt werden - wirklich toll!
Liebe Grüße,
Mareike
Gestern war Timur Vermes bei TV Total, was mich dazu gebracht hat, mal wieder ein bisschen über das Buch nachzudenken (auch wenn das Interview von Stefan Raab nicht grade erkenntnisfördernd war ;P )
AntwortenLöschenWie du fand ich das Ende auch ein bisschen enttäuschend, aber vielleicht hat man nach der genialen Story auch einfach zu hohe Erwartungen an die Auflösung des Buches. Und auch ansonsten teile ich deine Meinung auf jeden Fall. Auch, wenn das Thema sensibel bleibt und ich finde, dass das Buch durchaus mit Vorsicht zu genießen ist, ist es ein superkrasstolles Buch! :D
Liebe Grüße
MelMel
Fantastische Rezi! Das Buch möchte ich auf jeden Fall lesen.
AntwortenLöschenLG
Anja
Ich habe das Buch vor kurzem gelesen und fand nun deine Rezi ganz toll, ich selbst habe noch keine geschrieben, da ich mir nicht ganz so schlüssig bin. Ich fand das Buch nun nicht überragend gut noch schlecht. Ich muss mich doch mal langsam mit dem Schreiben meiner Meinung auseinander setzen ;)
AntwortenLöschenLg Steffi