BR - Jo Baker - Im Hause Longbourn








Gebundene Ausgabe
Erschienen am: 08. September 2014
Verlag: Albrecht Knaus Verlag
ISBN:  978-3813506167
Seitenzahl: 448
Preis: 19,99€






Womöglich macht es nicht nur glücklich, wenn man endlich bekommt, wonach man sich jahrelang gesehnt hat. Das Objekt unserer Begierde könnte, wenn wir es endlich in Händen halten, nicht ganz unseren Erwartungen entsprechen. Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen, und plötzlich fallen jahrelang übersehene Mängel sehr deutlich ins Auge. Und dann steht man ein wenig hilflos da und weiß nicht, was man nun mit dem so lange ersehnten anfangen soll.

Sarah ist Dienstmädchen im Hause der Bennetts. Während Mrs. Bennetts einzige Sorge ist, ihre fünf Töchter möglichst gewinnbringend und sicher zu verheiraten, besteht Sarahs Tag aus nichts weiter als Wäsche, Putzen, Kochen, den Wünschen der Herrschaften entsprechen. Sie kennt es nicht anders und weiß, dass es ihr ein sicheres Dach über dem Kopf und einen vollen Magen beschert. Trotzdem wünscht sie sich, dass dieser Alltagstrott einfach von irgendetwas unterbrochen wird. Nur ab und zu.
Als Mr. Bennett völlig unerwartet den Hausdiener James Smith anstellt, scheinen ihre Gebete erhört worden zu sein. Nicht nur, dass er Polly, Mrs. Hill und ihr einen guten Teil der Arbeit erleichtert, er wirkt auch geheimnisvoll, unergründlich – obwohl er versucht sich bestmöglich einzugliedern und anzupassen, bringt er doch den tristen Alltag durcheinander. Genau das, was Sarah wollte. Nach anfänglichen Missverständnissen und Startschwierigkeiten werden die beiden schließlich doch warm miteinander, kommen einander näher und erkennen, wie wichtig sie für den anderen geworden sind. Doch James Vergangenheit birgt Geheimnisse, die nicht nur sein und Sarahs Glück gefährden. Und diese Geheimnisse drohen ihn einzuholen...

Auch wenn man sie vielleicht nicht selbst gelesen hat, hat doch im Grunde jeder schon einmal von Elizabeth Bennett und ihrem berühmt berüchtigten Mr. Darcy gehört. Doch dieses schillernde, theatralische Uhrwerk der Reichen und Schönen, bestehend aus Bällen, Dinners und Gesellschaften, läuft einzig und allein, weil die Rädchen im Hintergrund nahtlos ineinander greifen. Doch wer hat schon einen Blick für das unscheinbare Hausmädchen, das die Kamine kehrt und heizt, das ohne Klagen den Nachttopf der Herren leert, das Strümpfe stopft und Kleider und Petticoats wäscht, damit die Bennett-Töchter ihren Mr. Darcys, Mr. Bingleys und Mr. Wickhams strahlend schön gegenüber treten können.
Jo Baker lenkt das Augenmerk genau auf diese unsichtbaren Rädchen im Hintergrund und erzählt die Geschichte von Stolz und Vorurteil aus der Sicht der Dienstmädchen Sarah und Polly, der Haushälterin Mrs. Hill und des Dieners James. Und wie die Bennetts selbst hatte auch ich zuvor keinen Blick für die wortwörtliche „Drecksarbeit“, die in einem solchen Haushalt anfällt. Sarahs Leben ist hart, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang schuftet sie sich die Hände wund und kann sich glücklich schätzen über ein müdes „Danke“ der Herrschaften. Dennoch wird deutlich, wie glücklich sie sich schätzen kann, überhaupt Arbeit zu haben in Zeiten des Krieges. Sarah ist einem gleich sympathisch, man lernt ihre bescheidene Art lieben und kann ihr gleichzeitig ihre Hand voll Träume unheimlich gut nachfühlen. Man bekommt aber nicht nur Einblick in Sarahs Gedanken, Gefühle und Hoffnungen, sondern auch in die von James. Und man hofft eigentlich die ganze Zeit darauf, dass die beiden endlich über ihren eigenen Schatten springen und einfach ehrlich miteinander reden. Aber es ist ein steiniger Weg dorthin – und auch als sie es endlich schaffen ist längst nicht alles gut. Zwischenzeitlich fragt man sich zwar, wie und wo diese Gefühle entstanden sind, aber am Ende gönnt man es den beiden einfach zu sehr, um es noch großartig zu hinterfragen.
Besonders gut hat mir an Jo Bakers Roman auf jeden Fall die Atmosphäre Longbourns gefallen, die die Autorin einfach wunderbar eingefangen hat. Und auch wenn sich die Liebes- und Leidensgeschichten der Bennetts im Hintergrund abspielen und natürlich auch Sarahs Leben und das der übrigen Dienerschaft beeinflussen, sie stehen nie so im Vordergrund, dass sie Sarah und die anderen verdrängen.

Jo Baker schafft es, eine gefühlvolle und atmosphärische Liebesgeschichte zu erzählen, mit allen Höhen und Tiefen, ohne dabei zu dick aufzutragen. Das zarte Band zwischen Sarah und James wirkt einnehmend, aber nicht aufdringlich. Dafür gibt es von mir vier schöne und verdiente Blümchen für Jo Bakers internationalen Durchbruch.


Aussehen: ♥♥♥♥♥ 
 Charaktere: ♥♥♥♥ 
 Spannung: ♥♥♥ 
 Schlüssigkeit: ♥♥♥♥♥ 
 Originalität: ♥♥♥♥ 
 Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥ 
 Schreibstil: ♥♥♥♥



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