Titel: A single Man
Reihe: -
Autor: Christopher Isherwood
Genre: Roman
Verlag: Hoffmann und Campe
ISBN: 978-3455405019
Seitenzahl: 158 Seiten
Preis: 18,00 €
Aber jetzt ist nicht bloß jetzt. Jetzt ist auch ein ganzer Tag später als gestern, ein Jahr später als letztes Jahr. Jedes Jetzt ist mit seinem Datum versehen, das alle vergangenen Jetzt-Momente gegenstandslos macht, bis später oder früher, vielleicht, nein, nicht vielleicht, ganz gewiss: das Ende kommt.
Es ist ein Tag, der wie viele andere für George beginnt, seit Jim tot ist. Er steht auf, macht sich fertig, frühstückt und fährt zur Uni, wo er als Literaturprofessor lehrt. Hier ist er ein ganz anderer Mensch als der, der übel gelaunt und zynisch aufgestanden ist, der versucht sich mit genau diesem Zynismus den Schmerz des Verlustes seines Partners und die Isolation durch seine sexuelle Orientierung vom Leib zu halten. Hier setzt er die Maske des Professors auf, für seine Studenten und seine Kollegen, die kaum Einblick in den richtigen George haben. Das hat keiner - bis er spät abends in einer Hafenbar auf Kenny trifft, einen seiner Studenten. Zwischen den beiden entspinnt sich nicht nur eine ungewöhnlich offene Unterhaltung, sondern auch ein Abend, wie er seines gleichen sucht.
Bevor ich mich selbst an diese Rezension gesetzt habe, bin ich einige andere zu diesem Buch durchgegangen, weil es mir doch schwer fiel, einen Anfang zu finden, in Worte zu fassen, was mir bei "A single man" eigentlich durch den Kopf gegangen ist. In > dieser < hier habe ich dann eine erstaunlich passende Beschreibung gefunden, die ich einfach kurz umreißen möchte. Die Rezensentin schreibt, dass das Cover das Buch gar nicht besser beschreiben könnte, denn hinter der intellektuellen Brille, der Krawatte und dem peniblen Anzug sei George für seine Mitmenschen im Grunde unsichtbar. Nicht George, der Professor, sondern der echte George.
Wir als Leser aber, wir bekommen mit, wie es hinter dieser Maske aussieht. Erleben, wie George sich mühsam aus dem Bett schleppt, seine beste Freundin erst abwimmelt, nur um nach einem langwierigen Arbeitstag doch ihre Lebenskrise zu managen, so wie sie ihn an dem Abend aufgefangen hat, an dem er die Nachricht von Jims tödlichem Unfall erhalten hat, wie er mit spitzer Zunge versucht, seinen Studenten das Thema des Seminars näher zu bringen und wie über all dem doch einfach steht: Jim fehlt. George geht zwar durchs Leben, durch jeden Teil seiner täglichen Routine und seiner Verpflichtungen, aber er hat doch das Gefühl, nicht richtig daran teilzunehmen. Das alles ändert sich erst, als er einen ungewöhnlichen Abend samt jungenhaft-verrücktem Nacktbad in den rauschenden Wellen mit Kenny, einem seiner Studenten verbringt.
Isherwood gelingt es auf sehr berührende Art und Weise, Georges Verlust einzufangen, ohne dabei auf überdramatische Art und Weise zu übertreiben. Auch ohne tränenreiche Nervenzusammenbrüche und anklagende Worte über die Ungerechtigkeit und Grausamkeit des Lebens seines Protagonisten fühlt man, was dieser verloren hat. Es sind nicht die ersten Tage und Wochen der überwältigenden Trauer, die hier thematisiert werden. Sondern die kleinen Dinge des Alltags, die an den geliebten Menschen erinnern. Dinge, die man täglich gemeinsam gemacht hat und nun alleine bewältigen muss. Diese kleinen Erinnerungen bringen einen nicht mehr so ins Straucheln und Stolpern wie am Anfang, aber an manchen Tagen sind sie trotzdem schwer zu ertragen. Als jemand, der selbst bereits einen großen Verlust hinter sich hat, wusste ich ganz genau wie George sich fühlt. Und doch wusste Isherwood es zu beschreiben, ohne dass sein Protagonist im Selbstmitleid zergeht.
Mich hat Isherwood mit seinem Roman auf jeden Fall erreicht - es war eine kurze, aber sehr schöne Reise mit George, die ich wärmstens weiter empfehlen kann. Von mir gibt es dafür sehr verdiente vier Blümchen.
Aussehen: ♥♥♥♥
Charaktere: ♥♥♥♥
Spannung: ♥♥♥
Schlüssigkeit: ♥♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥
Schreibstil: ♥♥♥♥♥
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