Je mehr Skandale, desto besser. Man soll uns fürchten, solange wir am Leben sind, und uns auch nach unserem Tod niemals vergessen.
Das Jahr 1492. Im Vatikan wird im Konklave ein neuer Papst gewählt. Er nennt sich Alexander VI. und mit ihm steigt seine Familie in Rom in die höchsten Kreise des Adels und der Kirche auf. Rodrigo Borgia scheint am Ziel angelangt zu sein, doch es ist lange nicht so leicht auf dem Papstthron zu bestehen, wie ihn erst einmal zu erlangen. Um eine Liga gegen die Feinde aufzubauen, sucht er sich starke Verbündete, die er mit Eheschließungen seiner Kinder an die Familie zu binden sucht. Es bedarf allerdings keiner sonderlichen Menschenkenntniss, um zu sehen, dass die unehelichen Kinder des Papstes vielleicht eher der Untergang, als die Sicherung der päpstlichen Krone sind. Lucrezia empfindet viel mehr für Cesare, als es für einen Bruder angebracht wäre. Cesare seinerseits würde alles tun, um seine Schwester zu beschützen. Wikrlich alles! Juan wurde schon immer von seinem älteren Bruder verachtet, weil er, der Liebling des Vaters, sich alles erlauben konnte. Dann ist dann noch Jofré, doch der Junge ist eigentlich noch viel zu klein, um eine Rolle zu spielen, oder? Der Aufstieg und der Fall der Borgias, eine Geschichte um Leidenschaft und Intrigen.
Zu allererst muss ich an dieser Stelle wohl gestehen, dass ich das Buch nicht zu Ende gelesen habe. Eigentlich wollte ich mich dazu zwingen, doch bei fast 700 Seiten und der Zeitbelastung durch Unisachen, für die ich auch am Tag mehrere 100 Seiten lesen muss, habe ich mich dazu entschieden nach 200 Seiten nur noch den Schluss des Romans zu lesen. Warum? Nun, das werde ich hier versuchen etwas genauer auszuführen.
Das Cover des Buches war für mich recht ansprechend. Es wirkt bei genauerer Betrachtung vielleicht etwas sehr kitschig und stilisiert, doch trotzdem passt es zum Thema und ist durch die hellen Farben und das rote Kleid der Dame (bei der ich mich allerdings frage, wer sie sein soll) sofort ein Hingucker, der Aufmerksamkeit erregt. Deshalb gibt es in dieser Kategorie auch so viele Punkte von mir.
Die Charaktere. Da haben wir schon den ersten Punkt, an dem meine Kritik ansetzt. Für mich wirkten sie allesamt lieblos niedergeschrieben. Lucrezia schien noch recht passend, als naives Kind, das sie anfänglich sicher auch war, doch auch wenn alle anderen Personen durchaus ihre Eigenheiten hatten, fehlte mir irgendwie ein klarer Protagonist. Das ständige Springen zwischen den Sichtweisen mitten im Kapitel hat es schwer gemacht wirklich einen Zugang zu finden und die Tiefe, die die Charaktere eigentlich mit sich bringen sollten, zu erkennen. Für mich wirkten sie alle eher platt und lieblos und ich konnte keinen Weg finden mich mit ihnen zu identifizieren.
Auch mit der Spannung wurde es bei mir so recht schwer. Da ich keinen klaren Zugang zu den Figuren gewinnen konnte, blieb das Mitfiebern und die Furcht um die Ereignisse aus. Natürlich mag das auch etwas daran liegen, dass ich die Geschichte der Borgias natürlich kenne, doch ich hatte erwartet, dass Sarah Dunant das auf ihre eigene Weise umsetzen würde und ich so noch neue Wendungen kennenlernen würde. Leider blieb diese Erfahrung auf den ersten 200 Seiten aus.
Schlüssig erzählt war die Geschichte natürlich, immerhin hat sich die Autorin an zahlreichen historischen Quellen und der Sekundärliteratur zum Thema orientiert, was ich anbei angemerkt erstaunlich finde bei einem Historischen Roman, der auf Unterhaltung abziehlt, und deshalb positiv hervorheben möchte. Auch, dass hin und wieder größere Zeitsprünge gemacht wurden, ist vermutlichsinnvoll, da die Geschichte vom Aufstieg bis zum Fall sonst einfach zu umfangreich ist. Zumindest in dem allumfassenden Rahmen, den sich die Autorin gesetzt hatte. Mir hätte allerdings der Blick durch die Augen eines Protagonisten mehr zugesagt als die schnell aufeinanderfolgenden Zeitschnipsel.
Ob das Thema Borgias nun Origienll ist, bleibt wohl eine offene Frage, doch zumindest hat Sarah Dunant versucht einen eigenen Zugang zum Thema zu finden. Auf ihre Weise ist ihr dies sicher auch gelungen, allerdings sagt mir persönlich diese Art und Weise nicht zu. Die nächsten beiden Absätze werden das noch genauer erklären.
Die emotionale Tiefe hat mir auf den 200 Seiten fast vollkommen gefehlt. Am Tag von Lucrezias Hochzeit gab es recht gute Ansätze dazu, doch durch den Sichtwechsel im Kapitel von Lucrezia zu ihrem Mann und zu Ceasare, wurde dieser Ansatz auch gleich wieder zerstört. Wie oben bereits erwähnt, hatte ich keinerlei Zugang zu den Emotionen der Figuren und fühlte mich vollkommen außenvor.
Das lag meiner Meinung nach vor allem am Schreibstil der Autorin. Anfangs hat mich das Präsens unheimlich gestört. Für mich gehören Romane und gerade historische Romane ins Präteritum. Allerdings muss ich auch eingestehen, dass ich mit der Zeit einfach darüber hinweggelesen habe und nur nach gedanklichen Einschüben hin und wieder über ein Verb gestolpert bin. Auch fand ich es nach der Leseprobe recht schade, dass das Buch nicht aus Lucrezias Sicht war, sondern immer wieder hin und her gesprungen ist.
Das allein hat also dem Buch nicht den Abbruch getan. Was allerdings für mich gerade im Augenblick untragbar war, war der distanzierte Stil, in dem Sarah Dunant das ganze präsentiert. Zu keinem Zeitpunkt fühlte ich mich den Charakteren nah und verbunden und die Geschichte wurde eher nacherzählt, als spannend aufbereitet. Entsprechend hätte ich genauso gut ein Sachbuch über die Geschichte lesen können, mit dem Unterschied, dass ich dort zumindest auf Emotionslosigkeit und Distanz vorbereitet gewesen wäre. Selbst manche populärwissenschaftliche Autoren bringen allerdings in ihren Werken noch mehr Gefühl rüber, als Sarah Dunant in diesem Roman.
Aufgrund der hunderten von Seiten, die ich im Augenblick mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Sachbüchern am Tag verbringe, konnte ich mir das Weiterlesen an dieser Stelle also leider nicht antun, da ich nach dem Unistress einfach nur gemütlich abschalten und entspannen möchte beim Lesen.
Insgesamt war ich in meinen Ansprüchen, gerade weil ich mich mit dem Thema so gut auskenne, also vielleicht einfach zu hoch angesiedelt. Ich habe gesehen, dass viele andere Leser das Buch toll fanden und ganz andere Ansichten haben als ich. Trotzdem kann ich das Buch so nicht jedem empfehlen. Jemand, der die Geschichte noch nicht kennt und gerne mehr darüber erfahren möchte, aber auch kein bloßes Faktenwissen aus einem Lexika lesen möchte, ist mit diesem Buch richtig bedient. Wer aber ein spannendes Werk voll gefühl, Leidenschaft und Intrige sucht, sollte lieber die Finger davon lassen. Natürlich bin ich trotzdem dankbar für die Chance, die ich durch vorablesen bekommen habe und bereue es auch nicht Zeit in das Buch investiert zu haben. Immerhin ist es auch hilfreich zu erkennen, was man nicht erwartet oder was einem weniger zusagt.
Aussehen: ♥♥♥♥
Charaktere: ♥♥
Spannung: ♥♥
Humor: ♥
Schlüssigkeit: ♥♥♥
Originalität: ♥♥♥
Emotionale Tiefe: ♥
Schreibstil: ♥♥