[Buch] Friedrich Ani - Die unterirdische Sonne




 Titel: Die unterirdische Sonne
 Reihe: -
 Autor: Friedrich Ani
 Genre: Roman
 Verlag: cbt
 Seitenzahl: 332 Seiten
 Preis: 16,99€









Glauben war so toll. Jahrelang hatte er dies bei seinen Eltern beobachtet und in dieser Zeit begriffen, dass es zwei Dinge im Leben auf gar keinen Fall gab: Glück und Freiheit. Wer trotzdem darauf hoffte, war ein verdammter Idiot. Überleben war alles, was zählte, dachte Noah. Die Umstände annehmen und schauen, was geht. Was tun, wachsam bleiben, das Unvermeidliche akzeptieren und sich nicht einbilden, da draußen warte ein spezielles Leben.

Fünf Jugendliche werden gewaltsam in einem Keller auf einer Insel festgehalten. Stundenweise holen ihre Entführer sie einzeln oder paarweise nach oben. Keiner von ihnen darf über das sprechen, was ihnen dort oben widerfährt, ansonsten müssen sie sterben. Sie bekommen zu essen. Sie dürfen Fernsehen gucken. Sie haben einander. Und doch ist jeder von ihnen mit seinen schrecklichen Erfahrungen, Gedanken, Erinnerungen, seiner Wut, seiner Verzweiflung alleine. Dann kommt ein neuer Junge dazu: Noah. Noah hält nichts von Märchenblasen, in die sich die anderen flüchten, er meint, dass sie ihre Lage akzeptieren müssen. Denn erst wen sie die grauenhafte Realität akzeptiert haben, können sie sich dafür wappnen sie zu ändern.

Ein schwieriges Buch. Ein sehr schwieriges Buch würde ich sogar sagen. Das Thema wäre einem vor zwanzig Jahren vielleicht noch nicht so realistisch vorgekommen wie heutzutage, nach den Fällen Natascha Kampusch und Joseph Fritzl. Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 18 Jahren werden einfach von der Straße gepflückt, gekidnappt und in einen muffigen Keller gesperrt, wo sie über Monate hinweg den Erwachsenen zur Verfügung stehen müssen. Wofür? Das wird nie ganz genau ausgesprochen, denn eigentlich handelt es sich bei Friedrich Anis Geschichte um ein Jugendbuch (was ich gar nicht richtig glauben kann). Vieles wird nur angedeutet, bleibt vage, im Dunkeln. Aber man braucht nicht viel Fantasie, um sich das Elend und die Qualen vorzustellen, die "oben" auf die Kinder warten. Werden sie von einer Sekte gefangen gehalten? Von einem Pädophilenring? Dadurch, dass so vieles offen bleibt, sind den furchtbaren Vorstellungen eigentlich keine Grenzen gesetzt. "Die unterirdische Sonne" ist also nichts für zart besaitete Gemüter.
Am Anfang dachte ich oh je, will Ani wirklich über 300 Seiten lang alles auf diesen kleinen Kellerraum beschränken? Was das Potenzial hatte eintönig und langweilig zu werden hat sich als richtiger Kunstgriff herausgestellt. Der Fokus der Geschichte lag ganz klar darauf, wie die Kinder mit dem Erlebten umgehen, ohne es auszusprechen. Jeder von ihnen wusste, was er selber "oben" erlitten hat, aber ob mit den anderen dasselbe gemacht wurde wussten sie nicht. Vielleicht war es ja noch schrecklicher. Immer, wenn jemand verstört von "oben" zurückgekommen ist, war es ein Kampf. Wie viel Kraft kann ein zerbrochener, kleiner Mensch noch aufbringen, um einen anderen aufzufangen, zu trösten, dafür zu sorgen, dass er sich nicht einsam und besser fühlt? Es war absolut bewundernswert wie die fünf es schaffen sich halbwegs bei Verstand zu halten.
Noah, die Nummer sechs im Bunde, ist als der große Wendepunkt in der Geschichte angekündigt worden. Ich fand ihn schwierig, anstrengend und mir war auch nicht ganz klar, wie sein Verhalten zu besagter Wende beitragen sollte. Ganz erschlossen hat sich mir das auch bis zum Ende nicht, aber Fakt ist, dass Noah etwas in ihnen wach gerüttelt hat.

Gibt es ein Happy End für die Kinder? Kann es nach so einer Tortur überhaupt noch ein Happy End für sie geben? Ich verrate an dieser Stelle nichts, nur dass mich das Ende gleichermaßen überrascht wie betroffen gemacht hat. Vier Blümchen für ein außergewöhnliches Jugendbuch, das genauso gut in der Erwachsenenabteilung hätte angesiedelt werden können.


Aussehen: ♥♥♥♥♥
 Spannung: ♥♥♥♥
 Schlüssigkeit: ♥♥♥
 Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥
 Schreibstil: ♥♥♥♥


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