[Buch] Kit De Waal - Mein Name ist Leon




 Titel: Mein Name ist Leon
 Reihe: -
 Autor: Kit De Waal
 Genre: Roman
 Verlag: Rowohlt
 Seitenzahl: 319 Seiten
 Preis: 14,99€









Leon ist neun und hat dunkle Haut wie sein Vater. Jake ist gerade mal eins und hat das blonde Haar ihrer Mutter. Als diese von Jakes Vater verlassen wird und einen Zusammenbruch erleidet, von dem sie sich nicht so schnell erholt, werden die Kinder zu einer Pflegemutter gegeben. Sobald die Entscheidung steht, dass Carol nicht mehr für ihre Kinder sorgen kann, ist für den kleinen Jake schnell eine Adoptivfamilie gefunden, während niemand Leon haben will. Das bedeutet die Brüder werden getrennt. Leon hat Angst, dass Jake ihn vergisst, weil er noch so klein war als sie sich das letzte Mal gesehen haben. Aber Leon vergisst seinen Bruder nicht. Und er hat vor ihn zu finden und zu sich zu holen.

Eine Situation, wie sie leider nur allzu oft alltäglich ist: auch wenn man sich darum bemüht, dass Geschwister zusammen bleiben können, ist die Wahrscheinlichkeit doch größer, dass sie einzeln eine neue Familie finden. Und die Chance für ein Baby adoptiert zu werden sind wiederum nochmal sehr viel größer als für ein älteres Kind. Also werden die Geschwister getrennt. Für den neunjährigen Leon ist das eine Katastrophe. Er hat sich doch gut um seinen kleinen Bruder Jake gekümmert? Und jetzt kommen Erwachsene daher, die meinen sie wüssten was das Beste für sie beide ist, und nehmen ihm Jake weg. Geben ihn zu neuen Eltern und verraten Leon nicht, wo er ist.
Kit De Waal wählt für ihren Roman Leons Perspektive, wenn auch nicht die eines Ich-Erzählers. Trotzdem hat man das Gefühl, nah dran zu sein, Leons Zorn zu spüren, seine Bedenken, sein Unverständnis für Handeln und Prinzipien der Erwachsenen. So zu schreiben stelle ich mir sehr schwierig vor. Klar, wir waren alle mal zehn und vielleicht erinnern wir uns auch noch daran, dass wir dieses oder jenes Verbot nicht verstanden haben. Aber wer kann sich noch so richtig rein denken? An die Sorgen und Ängste, über die wir uns heute gar keine Gedanken mehr machen? Kit De Waal gelingt das trotzdem sehr gut, Leons Gefühls- und Gedankenwelt hat nicht konstruiert oder gekünstelt gewirkt und hat mich doch mit all ihrer Unschuld und Naivität einnehmen können.

Trotz einiger kleiner Längen und teils sehr schräger Nebenfiguren - ein irischer Hobbygärtner mit Alkoholproblem und ein lauter, liberaler und musikalischer Saatgutexperte - hat mir das Buch sehr gut gefallen und bekommt vier verdiente Blümchen.


Aussehen: ♥♥♥♥♥
 Spannung: ♥♥♥♥
 Schlüssigkeit: ♥♥♥♥
 Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥
 Schreibstil: ♥♥♥♥


Ein ruhiger Dezember - auf ein gutes Neues!



Ihr Lieben, ihr habt ja gemerkt, dass den Dezember über hier nahezu tote Hose geherrscht hat. Ich fang jetzt gar nicht groß mit Erklärungen an, es war einfach eine sehr stressige Zeit, aber ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Im neuen Jahr geht es mit frischer Motivation wieder zu Werke und dann gibt es auch wieder regelmäßig etwas von uns zu lesen :)

Abgesehen von dem Lesezeichen hoffe ich natürlich, dass ihr alle einigermaßen erholsame und entspannte Weihnachtsfeiertage verleben konntet und eine Menge schöner Bücher unter eurem Baum gefunden habt!

Vielleicht schaffe ich in den letzten Tagen des ausklingenden Jahres noch einen Post, aber falls nicht wollte ich euch auf jeden Fall wissen lassen, dass es uns noch gibt und dass wir euch schon mal einen guten Rutsch ins neue Jahr wünschen! 2017 muss vieles besser machen als sein Vorgänger, oder wie seht ihr das?

Passt auf euch auf, ihr Lieben, ich wünsch euch was :)


[Buch] Garance Le Caisne - Codename Caesar




 Titel: Codename Caesar: Im Herzen der syrischen Todesmaschinerie
 Reihe: -
 Autor: Garance Le Caisne
 Genre: Sachbuch
 Verlag: Beck
 Seitenzahl: 333 Seiten
 Preis: 17,95€







"Die Folter geht darüber hinaus. Das System will dein Menschsein zerstören. Man wusste ja, dass das System verbrecherisch ist, aber in diesem Ausmaß... Baschar al-Assad möchte sein Volk umbringen. Nicht bloß, indem er es körperlich auslöscht. Er möchte es entmenschen."

2013 floh er aus Syrien, gelangte auf gefährlichen Pfaden in den "sicheren" Westen, um endlich offen zu legen, was er zwei Jahre lang unter Einsatz seines Lebens in seiner Heimat Syrien dokumentiert hat. "Caesar", so nennt er sich, war Militärfotograf unter Baschar al-Assad. Früher bestand seine Arbeit darin, Todes- und Unfälle zu fotografieren, in die Angehörige des Militärs verwickelt waren. Doch in den letzten Jahren hat sich seine Arbeit auf kranke Art und Weise verdreht. Die unzähligen Toten, die die Maschinerie der syrischen Geheimdienste wieder ausspuckt, müssen verzeichnet und dokumentiert werden. Caesar fotografierte also plötzlich tote Zivilisten, deren Körper so überdeutlich von Folter und Hunger gezeichnet waren, dass die Bilder, die er schoss, an Fotos nach Befreiung der Konzentrationslager erinnern.

Über einen unerträglichen Zeitraum von zwei Jahren sammelte er jedes einzelne Foto, das seine Kamera machte, und sicherte es als Beweis von Baschar al-Assads Verbrechen gegen sein eigenes Volk. Stets in der Angst, erwischt zu werden und die nächste Leiche mit einer Häftlingsnummer auf der Stirn zu werden. Dann endlich die Flucht in den Westen, das Teilen der Last, die Veröffentlichung von 50.000 Bildern des Grauens. Der Aufschrei und das Entsetzen in unserer "zivilisierten" Gesellschaft sind groß. Und dann... passiert nichts. Die Vereinten Nationen können nur tätig werden, wenn Menschenrechtsverletzungen in einem Staat geschehen, der ihre Verträge unterschrieben hat. Das hat Syrien nicht. Oder wenn alle Mitglieder einstimmig für einen Strafbefehl stimmen. Das tun sie nicht, China und Russland sind dagegen. Und so kann Assad seit drei Jahren weiterhin schalten und walten, morden und foltern.

Garance Le Caisne ist es als einziger Journalistin gelungen, "Caesar" ausfindig zu machen. Er hält sich versteckt, aus Angst vor dem Regime, ernüchtert von dem, was sein Einsatz tatsächlich bewirkt hat. Er hat sein Leben riskiert und seine Heimat verlassen - wofür?
Ausführlich spricht Le Caisne nicht nur mit ihm, sondern auch mit anderen Syrern, die Opfer des Regimes geworden sind, beleuchtet Hintergründe, die aus der Presse gar nicht so klar hervor gehen - und macht fassungslos. Was diese Menschen zu erzählen hatten und wie die Welt auf die Veröffentlichung dieser abertausenden Folterfotos reagiert hat, hat mich einfach fassungslos gemacht. Und wütend.

"Codename Caesar" ist ein Buch, das bis ins Mark erschüttert, ohne zu dramatisieren. Gerade weil Le Caisne sich einer aufgebauschten, theatralischen Schreibweise enthält, entfalten die Geschichten der Überlebenden und Zeugen eine umso mächtigere Wirkung. Auch wenn es nichts für zart Besaitete ist, weil es so schonungslos die Zustände in den Geheimdienstgefängnissen beschreibt, empfehle ich dieses Buch jedem, der glaubt Menschen, die von dort geflohen sind, sollten einfach zurück in ihre Heimat gehen und sich dort um sich selbst kümmern.


Aussehen: ♥♥♥♥
 Humor: -
 Schlüssigkeit: ♥♥♥♥♥
 Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥♥
 Schreibstil: ♥♥♥♥♥


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