Titel: Eine Insel
Reihe: -
Autor: Terry Pratchett
Genre: Abenteuer
Verlag: Goldmann (von mir in anderer Ausg. gel.)
Seitenzahl: 445 Seiten
Preis: 9,99€
"Das ist ein Trick!", sagte er, ohne nachzudenken.
"Nicht so laut!", erwiderte Nawi und blickte sich zum Strand um. "Natürlich ist es ein Trick. Ein Kanu zu bauen ist ein Trick. Einen Speer zu werfen ist ein Trick. Das ganze Leben ist ein Trick, und du bekommst nur eine Chance, ihn zu lernen."
Mau ist dreizehn und unterzieht sich gerade der Prüfung, die ein jeder Junge seines Stammes ablegen muss, um endlich ein Mann zu werden. 30 Tage muss er alleine auf der Jungeninsel überleben, sich mit seinen bloßen Händen ein Kanu bauen und zu seiner Insel, zur Nation zurückkehren. Mau ist schon beinahe auf dem Heimweg, als eine riesige, zerstörerische Welle über die Inselgruppen hinweg geht. Er selbst überlebt nur mit Mühe. Als er zur Nation zurückkehrt ist jeder tot, den er je gekannt hat. Fortgespült vom Meer. Aber noch während er die Toten in einem Ritual dem Meer übergibt stellt er fest, dass er doch nicht so allein ist wie gedacht: Daphne, die Tochter eines englischen Adeligen, hat mit der Sweet Judy Schiffbruch erlitten und das gerade auf Maus Insel. Die beiden verstehen einander nicht, der "Wilde" und das "Hosenmenschenmädchen", aber nach und nach treffen andere Überlebende der umliegenden Inseln ein und Daphne und Mau sind für sie verantwortlich. Sie brauchen Schutz, sie brauchen Nahrung, sie brauchen Glauben. Doch die Natur ist bei Weitem nicht die einzige Bedrohung...
Anfangs war ich ein wenig skeptisch. Die Geschichte zweier Dreizehnjähriger auf einer einsamen Insel irgendwo mitten im Ozean, gestreckt auf so viele Seiten? Ob das gut geht?
Das tut es! Mir wurde "Eine Insel" oder "Nation", wie es im Original heißt, von einer Kollegin empfohlen, die langjähriger Pratchett-Fan ist. Ein guter Einstieg, um herauszufinden, ob mir Humor und Schreibstil liegen. Es erzählt die Geschichte zweier Kinder, die plötzlich erwachsen werden müssen. Maus Stamm glaubt, dass ein Junge seine Seele auf der Jungeninsel lässt und wenn er zurück kommt eine neue von den Göttern bekommt, die eines Mannes. Da die Welle ihn auf dem Heimweg überrascht hat und nun niemand mehr da ist, der das Ritual zu Ende bringen können, fürchtet Mau, dass er gar keine Seele mehr hat. Trotzdem ist er plötzlich der Häuptling für ein bunt zusammengewürfeltes Sammelsurium an Menschen, die jemanden brauchen, der sie führt. Jemanden, der sie beschützt. Daphne dagegen, die nach eigener Aussage von ihrer Großmutter im Leben nichts gelernt hat, was auch nur ansatzweise nützlich sein könnte ("Es müssen nur 138 Personen sterben, damit dein Vater König wird! Denk immer daran!"), soll plötzlich ein Kind auf die Welt holen, Bier für die Opferzeremonie der Götter brauen, Wunden und Krankheiten versorgen. Beide fühlen sich völlig überfordert, aber immer wenn sie glauben an ihre Grenzen zu stoßen entdecken sie, dass sie über sich hinaus wachsen können. Sie erkennen ihre Rolle, sie erkennen vor allen Dingen auch die Rolle des jeweils anderen für ihren losen Verband an Überlebenden, und sie unterstützen einander in dem Bestreben, nicht allein zu sein. Niemand will allein sein.
Sowohl Mau als auch Daphne sind dermaßen sympathische Protagonisten, wie ich es kaum erwartet hatte. Zwischendurch wäre ich am liebsten in das Buch hinein geklettert und hätte sie beide in den Arm genommen. Was am Anfang genau das war, was ich wollte - einen Einzelband von Pratchett lesen -, hat mich dann plötzlich sehr traurig gemacht. Ich hätte sie so gerne noch eine Weile behalten und begleitet. Aber nicht nur die beiden, sondern auch die Nebenfiguren hatten einen ganz eigenen Charme. Pilu und Milo zum Beispiel, die Brüder, die bereits einmal auf einem Hosenmenschenschiff gearbeitet haben und sich deshalb besonders weltgewandt fühlen. Cahle, Milos Frau, die alle anderen fest im Griff hat. Es hat für mich einfach alles gestimmt - inklusive des typischen (hab ich mir sagen lassen) Pratchett Humors.
Ich hätte glatt noch einen zweiten Band über Mau und Daphne gelesen, aber da ich mich mit diesem einen zufrieden geben muss gibt es für diesen fünf Blümchen! Meine Kollegin hatte völlig Recht, dieses Buch ist ein sehr guter Einstieg in Pratchetts Werke, auch wenn er nichts mit der berühmten Scheibenwelt zu tun hat. Wer also mal einen Blick riskieren möchte - unbedingt!